
Die 110%-Finanzierung: Wie du eine Immobilie (fast) ohne Eigenkapital kaufst – und wann das gefährlich ist
Der Traum von den eigenen vier Wänden – für viele scheint er in weite Ferne gerückt. Die Immobilienpreise sind hoch und die Anforderung an das Eigenkapital ebenso. Da klingt die Idee einer 110%-Finanzierung wie ein Lottogewinn: Eine Immobilie kaufen, ohne auch nur einen Cent gespart zu haben. Doch Vorsicht! Dieser Weg ist kein Spaziergang und räumt schnell mit dem Mythos vom “Reich werden ohne Geld” auf. Lass uns gemeinsam beleuchten, was wirklich dahintersteckt.
Was bedeutet eine 110%-Finanzierung genau?
Normalerweise erwarten Banken, dass du mindestens die Kaufnebenkosten – also Grunderwerbsteuer, Notar- und Grundbuchgebühren sowie eventuelle Maklerkosten – aus eigener Tasche zahlst. Das sind je nach Bundesland schnell 10-15 % des Kaufpreises. Bei einer 110%-Finanzierung, auch Vollfinanzierung genannt, leiht dir die Bank nicht nur den vollen Kaufpreis der Immobilie (100 %), sondern zusätzlich auch diese Nebenkosten (ca. 10 %).
Der Haken an der Sache: Für die finanzierten Nebenkosten erhält die Bank keinen materiellen Gegenwert. Die Immobilie selbst dient als Sicherheit für den Kaufpreis, aber die Nebenkosten sind “verlorenes Geld”. Dieses erhöhte Risiko lassen sich die Banken teuer bezahlen – in Form von deutlich höheren Zinsen.
Das Ticket in den Club der Vollfinanzierer: Die knallharten Voraussetzungen
Banken vergeben eine 110%-Finanzierung nur äußerst selten und unter strengsten Auflagen. Du musst quasi der ideale Kreditnehmer sein. Dazu gehören vor allem zwei Dinge: eine Top-Bonität und ein Top-Objekt.
Deine Bonität muss exzellent sein:
- Überdurchschnittliches und sicheres Einkommen: Ein unbefristeter Arbeitsvertrag mit einem hohen und stabilen Gehalt ist die absolute Basis. Beamte oder Angestellte im öffentlichen Dienst haben hier oft die besten Karten. Dein Einkommen muss so hoch sein, dass die monatliche Kreditrate maximal 35-40 % deines Nettohaushaltseinkommens ausmacht.
- Tadelloser SCHUFA-Score: Deine Zahlungsmoral muss einwandfrei sein. Jeder negative Eintrag ist ein K.o.-Kriterium.
- Schuldenfreiheit: Bestehende Konsumkredite oder andere hohe finanzielle Verpflichtungen sind ein No-Go.
- Zusätzliche Sicherheiten: Weitere Vermögenswerte wie eine abbezahlte Immobilie, ein Aktiendepot oder eine Lebensversicherung können deine Chancen erhöhen.
Die Immobilie wird genauestens unter die Lupe genommen:
- Lage, Lage, Lage: Die Bank finanziert nur Objekte in begehrten und wertstabilen Lagen. Eine baufällige Immobilie in einer strukturschwachen Region hat keine Chance.
- Hervorragender Zustand: Das Haus oder die Wohnung muss in einem sehr guten, neuwertigen Zustand sein. Die Bank will sichergehen, dass sie die Immobilie im Notfall ohne große Verluste weiterverkaufen kann.
Die dunkle Seite der Vollfinanzierung: Die Risiken
Eine 110%-Finanzierung ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Die Verlockung, sofort ins Eigenheim zu ziehen, kann dich teuer zu stehen kommen:
- Höhere Zinsen und Gesamtkosten: Durch den Risikoaufschlag der Bank zahlst du über die gesamte Laufzeit deutlich mehr Zinsen als bei einer Finanzierung mit Eigenkapital.
- Längere Laufzeit: Ohne Eigenkapital dauert es länger, bis deine Schulden getilgt sind. Das erhöht das Risiko, dass du bei der Anschlussfinanzierung mit ungünstigeren Zinsen konfrontiert wirst.
- Hoher Schuldenberg bei Zwangsverkauf: Solltest du in finanzielle Schwierigkeiten geraten und die Immobilie verkaufen müssen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Verkaufserlös deine Restschuld nicht deckt. Du bleibst auf einem Schuldenberg sitzen.
- Kein Puffer für unvorhergesehene Ausgaben: Wenn die Heizung kaputtgeht oder das Dach undicht wird, hast du keine Rücklagen. Du müsstest einen weiteren, teuren Kredit aufnehmen.
Fazit: Nur mit einem Profi an deiner Seite
Eine 110%-Finanzierung kann in ganz seltenen Fällen eine Option sein – zum Beispiel für den jungen Arzt mit hohem und sicherem Einkommen, der die perfekte Immobilie in einer Top-Lage gefunden hat. Für die allermeisten ist sie jedoch ein zu hohes Risiko.
Bevor du auch nur daran denkst, diesen Weg einzuschlagen, ist eine ehrliche und professionelle Beratung unerlässlich. Ein unabhängiger Finanzierungsberater kann deine Situation realistisch einschätzen, verschiedene Angebote vergleichen und dir aufzeigen, ob eine Vollfinanzierung für dich tragbar ist oder ob es nicht doch sinnvoller ist, zunächst Eigenkapital anzusparen.
Der Traum vom Eigenheim ist wunderschön, aber er sollte nicht zu deinem finanziellen Albtraum werden. Gehe den Weg der Immobilienfinanzierung besonnen und gut beraten – nur so ist er am Ende auch sicher.
Solltest du zu diesem Thema Fragen haben, dann schreib uns gerne HIER per Kontaktformular. Wir sind jederzeit für dich da und freuen uns auf dich!